Aboniere den Podcast überall, wo es Podcasts gibt
Theater mit Menschen mit besonderem Förderbedarf
Zur Einordnung: Wenn ich Theater in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung anbiete, handelt es sich meistens um Projekte, die den Schwerpunkt auf die Förderung der sozial emotionalen Kompetenzen legt. Also eine Vorstellung nicht im Vordergrund steht. Demzufolge gehe ich nicht auf eine Vorstellung ein.
Theater mit Menschen mit Behinderung stellen uns in der Arbeit vor besonderen Herausforderungen. Seit über 10 Jahren arbeite ich immer wieder mit dieser Zielgruppe in kulturpädagogischen Projekten. Zuerst im Bereich der Zirkuspädagogik, dann später auch theaterpädagogische Projekte.
Während dieser Projekte konnte ich viel Erfahrung sammeln, Erfahrungen, die ich mit dir in 5 Punkten teilen möchte. Gleichzeitig möchte ich dich mit dieser Folge ermutigen, die Arbeit mit Menschen mit Behinderung auszuprobieren. Es ist kein großes Hexenwerk und wie immer, gilt auch hier, du darfst (auch als Kursleiter:in) scheitern!
Anpassung von Spielen
Es gibt eine Vielzahl von Einschränkungen, auf die du während der Arbeit, mit Menschen mit besonderem Förderbedarf, stoßen kannst. Deswegen ist es wichtig, dass du die Spiele flexibel an die Bedürfnisse und Möglichkeiten deiner Zielgruppe anpasst.
Hier Ratschläge zu geben ist schwierig, da die Anforderungen so individuell wie das Leben selbst sein kann. Was ich dir aber auf jeden Fall mit gegen möchte, ist den Mut offen und transparent, mit den Teilnehmenden damit umzugehen. Fehler dürfen passieren und auch du darfst mal falsch liegen. Aus diesem Grund darfst du Misserfolge nicht als ein Scheitern, sondern als Wegbegleiter des Prozesses verstehen.
Viele Pausen
Aufgrund ihrer vielen Einschränkungen, wie auch medizinische Hilfsmittel (Rollstuhl, Prothesen, Schienen usw.) sind viele Menschen schnell und stark eingeschränkt in ihrer Bewegung.
Schon in einem anderen Podcast habe ich mal erwähnt, dass Theater Sport sei und Theater viel von den Menschen körperlich abverlangen kann. Deswegen empfehle ich dir, viele Pausen schon im Vorfeld einzuplanen.
Routinen
Immer wieder spreche ich hier in diesem Podcast davon, wie wichtig Routinen sind und dich bei der Durchführung deines Kurses unterstützten. Dies gilt bei der Arbeit mit Menschen mit besonderem Förderbedarf in einer besonderen Art und Weise.
Implementiere daher feste Routinen, die du immer in deinem Kurs einplanst. Gute Punkte, an denen du Routinen einbauen kannst, ist der Beginn und das Ende deines Kurses. Aber auch der Aufbau, wie Pausen zur gleichen Uhrzeit und auch der Wiedereinstieg nach der Pause, bieten gute und strukturierte Möglichkeiten an, Routinen in deinem Kurs wirkungsstark und einfach zu implementieren.
Bevormundung
Während meiner Arbeit erlebe ich immer wieder, dass insbesondere die begleitenden Fachkräfte die Teilnehmenden bevormunden. Ihnen also sagen, was sie jetzt machen sollen. Was ich genau meine, kann ich an einem Beispiel erläutern:
Es gab eine Übung, da sollten die Teilnehmenden allein auf die Bühne gehen. Alle anderen waren Zuschauer:innen. Die Person auf der Bühne sollte eine vorher erarbeitete Figur zeigen, die eine Emotion darstellt.
Diese Übung verlangt viel Mut und Selbstbewusstsein von allen Beteiligten. Deswegen war die Teilnehme (allein auf die Bühne zu gehen und die Figur allen zu präsentieren) freiwillig.
Plötzlich bat eine Betreuerin einen Teilnehmer, seine Figur auf der Bühne zu präsentieren. Ohne mit der Wimper zu zucken, wollte dieser Teilnehmer auf die Bühne gehen. Als ich ihn stoppte, fragte ich ihn, ob er das denn möchte. Und er antwortete „Nein“.
Das meine ich mit „Bevormundung“. Wir müssen bei Menschen mit Behinderung noch sensibler bezüglich der Bedürfnisse unserer Teilnehmenden sein, um sie nicht zu bevormunden.
Emotionen aushalten
Während der gleichen Übung zeigte einer der Zuschauer starke Emotionen. Die Person wandte sich, schaute weg, sagte Worte wie: „Nein“ und vieles mehr.
Dies sorgte für viel Unmut innerhalb der Gruppe. Dabei war das Verhalten dieses jungen Mannes durch auch nachvollziehbar. Denn es war nun mal das Ziel dieser Übung, dass allein nur durch eine Figur (ohne Bewegung oder Worte) etwas auf das Publikum transportiert wird. Und ja, das kann uns stark bewegen und emotional berühren. Und ja, es gibt Menschen, denen es schwerfällt, damit umzugehen. Deswegen ist es wichtig, die Reaktionen und Emotionen der Teilnehmenden aufzugreifen und zu erklären. Also in unserem Fall, allen Beteiligten zu sagen, dass diese Reaktion nichts Schlimmes, sondern nachvollziehbar ist. Gleichzeitig muss, speziell für unseren Fall, der junge Mann emotional begleitet werden. Daher nutze die Chance und erarbeite Strategien, wie er mit seinen Emotionen und Gefühle umgehen kann. So kannst du das Theater als Übungsfeld zur Emotionsregulation nutzen.
2 Kommentare zu „183 – Theater mit Menschen mit besonderem Förderbedarf“
Hallo Mark,
ich arbeite schon seit einigen Jahren immer wieder mit Menschen mit besonderen Bedürfnissen zusammen, allerdings meist in einem englischsprachigen Umfeld.
In deinem Podcast erwähnst du, dass du dir nicht sicher bist, welche Terminologie du außer dem Begriff „normal“ verwenden kannst.
Im Englischen haben wir das Wort „typical“ übernommen, um über Menschen zu sprechen, die in die Kategorie der Norm fallen, z. B. muss man oft mehr Pausen einplanen als bei einer typischen Gruppe.
Vielleicht könnte dies eine Alternative zum Wort „normal“ sein, die man ausprobieren könnte.
Viele Grüße
Colleen
Hey Colleen,
danke für deine Rückmeldung.
Ich denke nicht, dass „typical“ eine Alternative sein kann, da es ins Deutsche mit „klassisch“ oder „typisch“ übersetzt werden kann und damit genauso gut ist wie, „normal“. Die Bezeichnung einfach nur auf eine andere Sprache auszudrücken, stellt für mich keine entsprechende Alternative dar.
Aber ich danke dir, für deine Anregung.
Mark