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Die Systemtheorie in der Theaterpädagogik
Die rote oder die blaue Pille?
Während Neo, aus dem Film „the Matrix“, sich entscheiden konnte, sind
wir nur „Opfer“ unserer eigenen Matrix. Wie in der Matrix nehmen wir
die Welt nicht so wahr, wie sie, sondern wie wir sie interpretieren. Wir sind also nur „Opfer“ unserer eigenen Matrix, die sich in unserem Kopf abspielt.

Für die Theaterpädagogik ist das wichtig. Denn diese Matrix in unserem Kopf können wir in der Theaterpädagogik zur pädagogischen Förderung, sowie zur Verbesserung unserer Vorstellungen nutzen.
Darum spreche ich in meinem Podcast über die Themen: Wahrnehmung, Systeme, Symbolik und Interpretation. Am Ende zeige ich dann, was diese Themen mit der Theaterpädagogik zu tun haben und was du hier beachten solltest.
Wahrnemung
Wie wir aufwachsen, bestimmt, wie wir die Welt sehen. Unsere Umwelt ist also mitverantwortlich, wie wir sie wahrnehmen.
Du glaubst mir nicht? Dann pass auf!
Vielleicht kennst du das? Wenn ich mir ein neues Auto kaufen möchte, oder es gerade gekauft habe, dann sehe ich auf einmal überall auf der Straße die gleiche Marke und das gleiche Model, dass ich mir kaufen möchte. Meine Lebenssituation sorgt also dafür, dass ich den Verkehr anders wahrnehme als zuvor.
Und genau so ist es auch in anderen Bereichen. Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass Menschen, die sich aggressiv verhalten, ihre Umwelt aggressiver wahrnehmen. Also Handlungen ihrer Mitmenschen als potenziell aggressiv sehen.
Doch was ist das überhaupt, was wir wahrnehmen?
Wir nehmen Symbole wahr. Ein Symbol kann alles sein, was unsere Sinne anspricht: Hören (Sprechen), Sehen (Zeichen, Körperhaltung usw.), aber auch Riechen, Schmecken, Fühlen, Gleichgewicht usw.
Und hier kommt die Ästhetik ins Spiel. Denn Ästhetik hat in der Theaterpädagogik nichts mit der Alltagsbedeutung wie das Schöne und Ansehnliche zu tun. Ästhetik kommt aus dem griechischen und bedeutet das Empfinden und Wahrnehmen.
Bei der ästhetischen Bildung geht es also um die Bildung der Sinne und des Empfindens. Mehr dazu findest du im Blogbeitrag: Ästhetische Bildung – So förderst du die Sinne bei Kindern und Jugendlichen.

Systemtheorie nach Luhmann
Wie genau funktioniert das mit den Symbolen und der Umwelt?
Unsere Umwelt ist durch Systeme geprägt. Beispiele für Systeme sind: Schule, Arbeit, Theater, Gesellschaft und auch die Familie ist ein System.
Ohne jetzt groß in die Systemtheorie nach Luhmann eingehen zu wollen, möchte ich dir kurz erklären, was Systeme sind. Systeme agieren aufgrund von Handlungsmaxime.
Die Schule verfolgt die Maxime, Schüler*innen auf einen Stuhl zu setzten und ihnen etwas an der Tafel zu erklären. Dabei soll sich jeder Schüler benehmen und zuhören. Am Ende benotet der Lehrer, wie gut oder schlecht er den Unterrichtsstoff vermittelt hat.
Wenn der Schüler Schwierigkeiten mit diesem System hat, ist er ein Problem und alle helfen ihm dabei, dass er wieder besser reinpasst.

Zugegeben, dieses Bild der Schule ist sehr ironisch. Aber du verstehst, wie Systeme funktionieren und wie schwer es ist, sie zu hinterfragen.
Wenn du wissen willst, wie du Menschen dabei helfen kannst, diese Systeme, die ihnen Schwierigkeiten machen, zu erkennen und zu verändern, empfehle ich dir meinen Blogbeitrag zu Augusto Boal und das Theater der Unterdrückten. Und im Interview mit Sandra Anklam unterhalten wir uns über die systemische Theaterpädagogik.
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Die Handlungsmaxime wird mit Symbolen vermittelt. Wenn ein Schüler Strafarbeiten vom Lehrer aufgedrückt bekommt, dann ist das ein Zeichen (also Symbol) an den Schüler, sein Verhalten zu ändern. Dieses Zeichen unterliegt der Handlungsmaxime.
Gleichzeitig sind Symbole immer so unterschiedlich wie ihre Interpretationen und daher nicht immer leicht zu entschlüsseln.
Symbolischer Interaktionismus nach Mead und Blumer
Mead und Blumer haben drei Regeln aufgestellt, nach denen die Menschen den Symbolen interpretieren.
- Menschen handeln den Objekten ihrer Umwelt gegenüber aufgrund der Bedeutungen, die diese für sie haben.
- Die Bedeutung dieser Objekte entsteht in speziellen Interaktionen, welche die Menschen eingehen.
- Diese Bedeutungen der Objekte werden von Menschen im Wahrnehmen ihrer Auseinandersetzung mit diesen Objekten in einem interpreativen Prozess benützt und auch verändert.
Oder mit anderen Worten:
Unser Alltag legt für uns die Bedeutung von Symbolen fest. Diese Bedeutungen entstehen nicht willkürlich, sondern durch die Interaktion mit anderen Menschen. Die Symbole werden durch unsere eigenen Interpretationen genutzt und eventuell in ihrer Bedeutung verändert

Das siehst du in der Sprache ständig. Die Worte und deren Bedeutung können sich durch unsere Umwelt und die Systeme verändern. Wer hätte gedacht, dass Gut-Mensch eines Tages mal ein Schimpfwort wird?
Im Blogbeitrag „Regenbogen der Wünsche“ nach Augusto Boal zeige ich dir, wie du das System mit der Theaterpädagogik erkennen und verändern kannst.
Interpretation
Diese Symbole werden ständig interpretiert. Diese Interpretation ist die eigentliche Konstruktion der Welt. Du erkennst nun, den Zusammenhang zwischen der Welt, wie wir sie wahrnehmen und wie wir Symbole entsprechend deuten. Dies ist der zusammenhängende Kreislauf, den es zu durchbrechen gilt. Und eben genau darauf basiert unsere Kommunikation, was ich in der Podcastfolge 136 – „Wie funktioniert Kommunikation?“ näher erläutere.
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Ästhetische Bildung in der Theaterpädagogik
Betrachten wir ein Kunstwerk, kann dies eine Veränderung des Bedeutungssystems bewirken. Also die Bedeutung der Symbole kann durch Kunst verändert werden. Die gleiche Wirkung haben wir, wenn wir ein Kunstwerk selbst erstellen. So ist es beispielsweise beim Theater. Hier erstellen wir auch selbst ein Kunstwerk.
Diese Veränderung kann drei Möglichkeiten nach sich ziehen, die du generell beim Lernen immer wieder hast. Das möchte ich dir gerne genauer an einem Beispiel erklären.
Nehmen wir mal an, ich gehe davon aus, dass Geflüchtete Menschen generell faul wären und sich nur auf unseren Sozialstaat ausruhen möchten. Nun sehe ich eine Vorstellung, die das Leben eines Geflüchteten näher beschreibt. Jetzt kann ich entweder sagen, ja mein Menschenbild wurde bestätigt oder ich kann sagen: Das, was ich auf der Bühne sehe, ist ganz neu für mich, das hätte ich so nie gedacht.
Letzteres passt nicht in mein bisheriges Muster. Beim Lernen sind wir aber immer bestrebt, dass neue Erfahrungen mit bekannten Erfahrungen übereinstimmen.
Daraus ergeben sich wieder mehrere Möglichkeiten. Entweder ich korrektere die Bedeutung von alten Erfahrungen, oder ich ignoriere alles und leugne der neuen Erkenntnis. Die dritte Möglichkeit ist, ich bin verwirrt.
Und genau diese letzte dritte Möglichkeit ist die gefährlichste. Denn hier befinde ich mich in einem labilen, unsicheren Zustand. Ich bin verwirrt und suche nach Orientierung. Deswegen ist es immer wichtig, ein Theaterstück oder auch eine Theaterübung zu reflektieren. Um diese Unsicherheit im Diskurs aufzufangen und Orientierung zu geben und den Menschen weitere Reize zum Überlegen zu geben, die alles ignorieren.
Mehr zum Thema: wie lerne ich mit Ästhetischer Bildung findest du in der Podcastfolge 082 – Die Transformation vom Theater zum Lernen.
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Zusammenfassung
Wir nehmen unsere Umwelt differenziert und Subjektiv wahr. Diese Wahrnehmung ist durch unsere Umwelt und deren Systeme geprägt. Diese Prägung beeinflusst unsere Interpretation und damit unsere Wahrnehmung. Verändern wir diese Wahrnehmung, verändern wir die Interpretation und wir können die Systeme hinterfragen und verändern. Durch die ästhetische Bildung kannst du die Wahrnehmung verändern.
Es ist also nicht so leicht, unsere Matrix zu verlassen. Wie Neo aus dem Film, ist es ein langer und andauernder Kampf, den wir gegen unser Weltbild führen. Es bedarf viel Geduld, um eine Veränderung zu ermöglichen, eine Pille kann da leider nicht helfen.