Wenn ich im Internet nach einer Flutwelle suche, sind die ersten Ergebnisse Bilder einer Meterhohen bedrohlichen Welle, die mich verschlingen will und in die Tiefen des Meeres ziehen möchte. Ein bedrohliches Szenario! So und ähnlich wurde die „Flüchtlingswelle“ 2016 von Politik und Medien beschrieben. Die Bildzeitung war voll mit Berichten die von Mördern und Vergewaltigern berichtet, die hier Asyl suchen. Ein Bild, das die Realität überzeichnete. Was einige Studien belegen.
Um solche Inhalte korrekt einordnen zu können, bedarf es einen reflektierten Umgang mit Medien und Politik. Eine Kompetenz, die schon immer wichtig war. Und gerade in Zeiten, in denen die AFD im Reichstag sitzt, noch wichtiger ist.
Aus diesem Grund möchte ich heute die Technik des Zeitungstheaters skizzieren.
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Theater der Unterdrückten
Das Zeitungstheater ist eine Theaterform des „Theater der Unterdrückten“. Entwickelt wurde es von Augusto Boal und ist damit ein Teil der Reihe des „Theater der Unterdrückten“.
Augusto Boal war Regisseur und gilt als einer der Urväter der Theaterpädagogik. Mit seinem Theater der Unterdrückten hat er gleich mehrere Theatertechniken erarbeitet, die ich in einer Themenreihe näher erläutere.
Themen der Reihe sind:
Was ist Zeitungstheater
Zeitungshalter kann mit insgesamt 10 Techniken angewendet werden. Exemplarisch möchte ich eine Technik vorweggreifen, um die grundlegende Technik an einem Beispiel verständlich darzulegen.
Kontext-Lesen
Massenmedien berichten nicht selten einseitig und vergessen, den komplexen Zusammenhand wiederzugeben. Ein Beispiel ist die zu Beginn geschilderte Berichterstattung und Wiedergabe der Politik und Medien über die geflüchteten Menschen.
Beim Kontext-Lesen werden die geschilderten Sachverhalte in ein Objektives-Licht gestellt. Dies gelingt, indem die Berichterstattung wechselseitig zu den objektiven Daten und Fakten der Statistik widergespiegelt werden. Anhand dieser Gegenüberstellung kann der Zuschauer und Teilnehmer*in die Berichterstattungen besser einordnen und sich ein eigenes Bild der Lage machen.
Photo by Amador Loureiro on UnsplashWirkung des Zeitungstheaters
Im Prozess der Auseinandersetzung des Zeitungstheaters lernen die Kinder und Jugendlichen sich mit Medien und Äußerungen von Politikerinnen und Politiker kritisch und reflektiert auseinander zusetzten. Das Zeitungstheater stellt die Realität der Fakten wieder her, indem es die einzelnen Meldungen aus dem Zeitungskontext herauslöst. Das Zeitungstheater stellt also Berichterstattungen und Äußerungen in Relation und deckt den wahren Charakter auf. Damit entlarvt das Zeitungstheater die Meldung.
Zeitungstheater kann somit die Objektivität wieder herstellen, wenn sie verloren gegangen ist. Wenn die Theatergruppe diese Objektivität erarbeitet hat und noch zusätzlich präsentiert, kann dieser Effekt sich auf das Publikum vervielfältigen.
Gleichzeitig ist es eine einfache Technik, sowohl für die Anwendung als auch für den Zuschauer. Gleichzeitig empfehle ich gerade bei jüngeren Gruppen die Zeitungsartikel den Teilnehmenden bereits Zustellen. Damit ersparen sie sich das mühsame zusammen suchen. Außerdem sind Gruppen oft mit dem Sammeln und suchen von Zeitungsausschnitten überfordert. Auf der anderen Seite muss darauf geachtet werden, dass die jungen Menschen nicht beeinflusst werden. Daher ist es wichtig, dass jede Meinung wahrgenommen und akzeptiert ist.
Politische Bildung
Durch die Auseinandersetzung mit politischen Themen kann Politik nicht nur lebendiger gestaltet und Vermittelt werden. Es ist und bleibt einfach eine gute Möglichkeit der politischen Bildung und der Vermittlung von Partizipation. (siehe hierzu auch den Artikel: Partizipation in der Zirkuspädagogik und So geht professioneller Umgang mit Beschwerden).
Kinder und Jugendliche verstehen damit nicht nur das demokratische System und seine Zusammenhänge besser, sondern steigern auch ihre Handlungskompetenzen. Dies gelingt, indem die Kinder und Jugendlichen sich vielfältig mit einem Thema auseinandersetzten und differenziert aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Durch die Einnahme der verschiedenen Perspektiven zwischen Politik, Medien und wissenschaftlichen Fakten, kann jeder seine eigene Meinung bilden und Stellung beziehen.
Der differenzierte Blick ermöglicht aber auch die Akzeptanz der Gegensätzlichen Meinung. Was wiederum eine wichtige Komponente im demokratischen Miteinander ist.

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Die Elf Techniken des Zeitungstheaters
Einfaches Lesen
Beim Einfachen Lesen wird ein Teil eines Zeitungsberichts kommentarlos vorgelesen. Zugleich werden nur die Fakten dargelegt und damit aus dem Kontext herausgenommen. Lese ich beispielsweise vor, wie viel Wasser die Textilindustrie benötigt, wird schnell bewusst wo der wahre versteckte Wasserverbrauch ist.
Vervollständigendes Lesen
Immer wieder kommt es vor, dass Medien und Politiker wesentliche Hintergrundinformationen weglassen. Damit kann eine Ergänzung den Sachverhalt in einem ganz anderen Licht widerspiegelt. So kann die Information, dass einzelne Bundesminister für die Förderung der deutschen Automobilindustrie sind (1), mit der Aussage ergänzt werden, dass dieselben Parteien, gegen eine Rettung des ÖPNV sind. (2)
Gekoppeltes Lesen
Aussagen von Medien, die sich gegenseitig widersprechen, werden gesammelt und nach einander vorgetragen. Damit stehen diese Aussagen in einem neuen Kontext. Der Reisebericht aus der Zeitung kann zum Beispiel mit den politischen Umständen des Landes verglichen werden. Diese Aussagen können zum Nachdenken angeregt werden.
Untermaltes Lesen
Gewissen Phrasen von Politik und Medien werden in einem neuen Kontext gesetzt. So kann das Zitat „Sozial ist, was Arbeit schafft“ mit den aktuellen Lohnvergütungen einzelner Branchen – wie dem Versand – unterstrichen werden.
Pantomimisches Lesen
Die Aussagen von Medien werden mit Schauspiel überzeichnet. So kann beispielsweise eine Person die Forderungen der Politik zur Unterstützung der Automobilindustrie vorlesen, während im Hintergrund pantomimisch die Lobbyarbeit der Autokonzerne dargestellt wird.
Improvisierendes Lesen
Ähnlich wie das Pantomimische Lesen, jedoch wird hier der Teil nicht „Stumm“ dargestellt, sondern gespielt, um die Situation lebendiger darzustellen.
Historisches Lesen
Aktuelle Meldungen werden mit denen der Vergangenheit verglichen. So könnte das Versprechen des CO2 Ausstiegst aus dem Paris-Abkommen mit den heutigen Ergebnissen verglichen werden.
Konkretisierendes lesen
Die Flut von Nachrichten und die Anzahl der Informationen übertünchen oft den wahren Kern einer Berichterstattung. Um die wesentlichen Punkte eines Berichts hervorzuheben, werden nun die wesentlichen Punkte einer Nachricht dargestellt. Damit kann in Relation gestellt werden, was es wirklich bedeutet, wenn eine Million Asylsuchende nach Deutschland kommen. Bezogen auf die Bevölkerung in Deutschland sind dies 1/80 also 1,25 %. Verglichen mit einer Schulklasse von 30 Schüler sind das 0,375 Asylsuchende.
Pointiertes Lesen
Der Bericht wird im Kontext eines anderen Genres vorgelesen. So kann die Berichterstattung über die eingesetzten Waffen in einem Krieg wie ein Rezept vorgelesen werden. Dies kann das Publikum verwirren und so für Aufmerksamkeit sorgen.
Kontext-Lesen
Diese Methode habe ich zu Beginn des Beitrags geschrieben.
Fazit
Es gibt viele Möglichkeiten Zeitungstheater zu präsentieren und mit einer Gruppe vorzubereiten. Gleichzeitig ist die Anwendung sehr einfach und lehrt fast schon spielerisch, wie politische Systeme agieren und funktionieren. Durch die Anwendung verstehen die Teilnehmenden wie vielfältig und Komplex politische Sachverhalte sein können. Durch dieses Verständnis können sich die Jungen und Mädchen ihre eigene Meinung bilden.
Hast du schon mal Angebote der Politische Bildung durchgeführt? Schreibe deine Erfahrungen in die Kommentare.
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Das Buch behandelt alle Techniken: Forumtheater, Zeitungstheater, Unsichtbares Theater und Statuentheater.
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